Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts führte der technologische Wandel zu einer grundlegenden Veränderung unserer kollektiven Wahrnehmung und Erfahrung von ‚Realität‘. Die kulturellen Auswirkungen der Computerisierung zeigen sich, so Rob Shields (2003), insbesondere in einer neuen digitalen Virtualität. Wie prägen die neuen digitalen Technologien die Ästhetik zeitgenössischer visueller und materieller Kultur?
Anstatt den rein (digital) virtuellen Raum zu betrachten, widmet sich der Essay den Rückkopplungsschleifen, die sich aus der zunehmenden Digitalisierung von Visualisierungs- und Designprozessen ergeben, und deren Auswirkungen auf die materielle Welt. Im Zentrum steht dabei ein Phänomen, das im ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts in Erscheinung tritt: ein Wandel der ästhetischen Qualitäten, bei dem physische Artefakte zunehmend virtuelle Ästhetiken annehmen. Im Prozess der Übertragung von digitalen 3D-Renderings in physische Artefakte manifestieren sich diese in Materialien, Oberflächen und Formen – und beeinflussen so unsere Wahrnehmung von Objekten, Raum und Materialität.
Da das Phänomen der virtuellen Ästhetik die gesamte materielle Kultur durchdringt, werden neben künstlerischen Positionen wie dem auf der Documenta XII (2007) gezeigten Phantom Truck von Iñigo Manglano-Ovalles auch die Disziplinen Design und Architektur miteinbezogen. Der Fokus liegt dabei auf Werken, die sich im Spannungsfeld zwischen Virtuellem und Physischem, zwischen Simulation und Faktizität bewegen.
Da es sich hierbei um eine Untersuchung von Phänomenen handelt, die sich noch in der Entwicklung befinden, nimmt der Essay die Form einer Sondierungsreise durch das erste Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts an: Recherchen in den Bereichen Kunst, Architektur und Design, einschließlich Interviews, der Besuch von Ausstellungen und Messen sowie zeitgenössischer Architektur, bilden die Grundlage für eine Analyse des Virtuellen, das zunehmend greif- und fühlbar wird.
With the end of the twentieth century, technological change has led to an immense shift in our collective perception and experience of ‚reality‘. According to Rob Shields (2003), the cultural impact of computerisation is particularly evident in a new digital virtuality. How are the new digital technologies shaping the aesthetics of contemporary visual and material culture?
Rather than looking at virtual space itself, this essay draws attention to the feedback loops that have arisen from the increasing digitisation of visualisation and design processes in the last decades and their impact on the material world. At its heart is a phenomenon that became viral in the first decade of the twenty-first century: a shift of aesthetic qualities in which physical artefacts began to display the aesthetics of the (digitally) virtual. In the process of transferring digital 3D renderings into physical objects, the qualities of the virtual manifest themselves in materials, surfaces, and forms – affecting our perception of objects, space, and materiality.
As the phenomenon of virtual aesthetics pervades material culture widely, the examination of artworks such as the Phantom Truck by Iñigo Manglano-Ovalle shown at Documenta XII (2007) will be expanded to include design and architecture, with a focus on works that occupy a space between the virtual and the physical, between simulation and facticity.
As this is an investigation into still-evolving phenomena, the essay will take the form of an exploratory journey through the first decade of the twenty-first century. Research in the field of art, architecture, and design, including interviews and visits to exhibitions and fairs, as well as architectural works, will form the basis of an analysis of the virtual becoming tangible.
Erschienen in // Published in:
Mara-Johanna Kölmel & Ursula Ströbele (Eds.). The Sculptural in the (Post-)Digital Age. Berlin: De Gruyter, 2023.
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